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Aus altem Bauernland wird Bauland für das Kreuzviertel

Über Bauern, Grundbesitzer und Gärtnereien, über Bauunternehmer und über Privatinvestoren – so entstand das Kreuzviertel.

Das Gebiet des späteren Kreuzviertels, die Bauernschaft Uppenberg, wurde noch um 1840 rein landwirtschaftlich genutzt. Es war ein typisches, westfälisches Bauernland mit einigen Höfen und mit Parzellen der Bürger der Stadt Münster. Stück für Stück wurde daraus Bauland – das Kreuzviertel entstand, zunächst noch unter dem Namen „Überwasser Neustadt“, denn das Gebiet gehörte zur Gemeinde Liebfrauen-Überwasser.

Die Bebauung erfolgte von aussen nach innen, von der Marienthalstraße im Westen und der Wermelingstraße im Osten. Denn diese waren über das Neutor und das Neubrückentor gut von der Stadt erreichbar. Der Durchbruch im Bereich des Kreuztor erfolgte erst später und erschloß auch die Mitte des Kreuzviertels.

In der Mitte der Bauernschaft Uppenberg – mitten uppen Berg – stand ein katholisches Kreuz. Das war auf dem „Berg“ im Bereich des heutigen Nordplatzes. Wer genau hinschaut, erkennt dort immer noch eine leichte Erhebung.

Bauland von den Bauern

In der Bauernschaft gab es viele kleine, aber auch einzelne größere Betriebe bzw. Höfe. Die wichtigsten Namen waren: Bauer Molkenbur, Bauer Lösing und Bauer Dreisilker. Einige dieser Familien sind heute noch im Kreuzviertel ansässig. 

Übrigens tragen alle Straßen im Kreuzviertel, die nach Vornamen benannt sind, die Vornamen der damaligen Bauern oder Gärtner. So wurde die Gerturdenstraße nach der Tochter des Bauern Dreisilker benannt. Und die Hedwigstraße nach der „alten Hedwig“, durch deren Feld und Garten die Straße angelegt wurde. Einige Mitglieder der Familie Dreisilker bewohnen heute noch eins der Stammhäuser an der Lazarettstraße.

Gärtnereien

Auch eine der alten Gärtnereien ist erhalten geblieben: die Gärtnerei Lederer. Der Uropa der jetzigen Betreiber, Andreas Bormann, pachtete vor mehr als 100 Jahren zunächst das etwa ein Hektar große Areal an der Wienburgstraße, um es später zu kaufen. Dass jene Gärtnerei und der Blumenhandel, den er damals aufbaute, heute in der vierten Generation immer noch seinen festen Platz im jetzt dicht besiedelten Norden der Stadt Münster haben sollte, konnte er damals wohl noch nicht wissen. Mit Hand- und Pferdekarren fuhren er zum Wochenmarkt und verkaufte vor allem Gemüse und Salate. 

Anbindung an die Stadt / Beginn der Bebauung

Die Bauernschaft war relativ schlecht an die Stadt Münster angebunden. Sie war nur durch das Neutor und das Neubrückentor zu erreichen. Erst als 1898 das Kreuztor geöffnet wird (Durchbruch durch die Reste des Befestigungswerkes der ehemaligen Kreuzschanze), fängt die Bebauung des Kreuzviertel rasant an zu wachsen. Auch die Ernennung der Akademie zur Universität 1902 sowie die zahlreichen, nahegelegenen Kasernen trugen dazu bei. Es bestand hoher Bedarf an Wohnungen gut situiert Bürger wie Professoren, Beamte, Offiziere usw.

Erste Straßen

1875 wird die Bauernschaft eingemeindet. Die Bebauung geht anfängliche vorwiegend auf private Initiativen zurück. Ein Passus im preussischen Wegerecht ermöglichte den Grundbesitzern, ihr Acker- und Gartenland in Bauland umzuwandeln. Dazu mussten Sie neuangelegte Straßen auf eigene Gefahr und Rechnung bauen. Dies führte natürlich dazu, dass die Straßen nicht unbedingt mit großem technischen Aufwand angelegt wurden. Eine Folge dessen ist, dass zum Beispiel ein Teil der Ferdinandstraße absackte und somit das mehrgeschossige Haus Ferdinandstraße 8 in Schieflage geriet. Nun ist es als Schiefes Haus im Kreuzviertel eine kleine Attraktion. 

Hermann Borchard

Viele Gebäude im Kreuzviertel gehen auf Hermann Borchard zurück. Er war Architekt und Bauunternehmer, der sein Bauunternehmen und privaten Wohnsitz ebenfalls im Kreuzviertel ansiedelte.

Wohnhaus der Familie Borchard, etwas versteckt an der Stiege zwischen Studt- und Heerdestraße. Ursprünglich war dies (lt. Eckhard Müller) das 1870/71 erbaute Sommerhaus des bekannten Restaurateurs Louis Midy von der Bogenstraße.

Den östlichen Teil des Kreuzviertels bebauten unter anderen die Bauunternehmung Theodor Lodde und andere größere und kleinere Betriebe. Den westlichen Großteil hingegen bebaute Hermann Borchard. Auf den Feldern Molkenburs und Dreisilkers entstanden unter anderen Gertrudenstraße, Melchersstraße und Heerdestraße. Für die Gertrudenstraße (auch Professorenstraße genannt) und die Heerdestraße entwickelte er extra neue Haustypen: 8 bis 12 Zimmer und Closet. Vor allem für Professoren und Bürgern der gehobenen Einkommensschicht.

Rechnung für ein Einfamilienhaus in der Gertrudenstraße 16

Bauer Molkenbur

Anton Molkenbur mit seiner Frau. Ein Sohn hieß Bernard Molkenbur.

Borchard kaufte viele Grundstücke vom Bauern Molkenbur. Um Bauplätze verkaufen zu können, baute dieser im Jahr 1906 auf seine Kosten die Melchersstraße, die vorher als Feldweg unter dem Namen „Molkenburs Stiege“ bekannt war. Diese Grundstücke sind dann für ca. 24 RM pro qm veräußert worden.

Es sollten in der Melchersstraße zunächst nur Einfamilienhäuser gebaut werden. Doch per neuem Ratsbeschluss (neue Ratsmitglieder) wurden schließlich mehrstöckige Häuser auf beiden Straßenseiten genehmigt. Das Haus Melchersstr. 50. stand da bereits und benötigte nachträglich einen ungewöhnlich langen Kamin, um über das links angebaute, deutlich höhere Haus hinausragen zu können. 

Haus Melchersstraße 50, der Kamin wurde mittlerweile zurückgebaut.

Es wird überliefert, dass Borchard immer, wenn er neue Grundstücke brauchte, zum Bauern Molkenbur ging (und irgendwann nur noch durch den Garten hereinkam) und auf Platt sagte: „Buer, dat weer sowiet! Ik hev nee Kudn un brock en Grundstück, weer Proffessers.“

Bauer Molkenbur war es auch, der das Kreuz am Nordplatz noch vor der Jahrhundertwende stiftete.

Kreuz am Nordplatz, damals zeigte es Richtung Kreuzkircche / Stadt

Das Stammhaus der Familie Molkenbur befand sich auf Höhe der heutigen Melchersstraße 20. Das Ackerbürgerhaus wurde 1758 erbaut und wurde noch bis zu seiner Zerstörung im zweiten Weltkrieg (1944) von einem Teil der Familie Molkenbur bewohnt. Anton Molkenbur wurde 1850 in dem haus geboren und verstarb dort 1924. Im Tor des Hauses Melchersstraße 20 konnte man bis vor einigen Jahren die Initialen A. M. (Anton Molenbur) lesen.

Haus der Familie Molkenbur von 1758. Es stand an der Stelle der späteren Melchersstraße 20 und wurde im Krieg zerstört.
Melchsersstraße 20 aktuell

Zu erwähnen ist ebenfalls Bauer Rickfelder aus der Feldstraße, heute Grimmstraße. Seine Felder reichten von der Grimmstraße bis an die Häuser der Finkenstraße. Seine Ländereien wurden erst in den 30ern in Bauland umgewandelt.

Haus von Rickfelder in der damaligen Feldstraße (heute Grimmstraße), 1930er Jahre

Heilig-Kreuz

Die Kreuzkirche wurde auf dem Feld des Viehhändlers Bauer Lösing errichtet, nachdem es die Gemeinde Überwasser erwarb. Dieser war auf der Coerdestraße ansässig, damals hieß sie Coerdestiege (Richtung Haus Coerde) und war ein einfacher Sandweg und umgeben von Wallhecken. Dort entlang trieb er noch um 1900 seine Tiere. Stammsitz der Familie ist das Haus an der Ecke Coerdestraße und Kettelerstraße.

Haus der Familie Lösing. Coerdestraße Ecke Kettelerstraße. Damals war im Ladenlokal eine Metzgerei, aktuell ist dort die Eßbar.
Feld zwischen Coerdestraße (links mit den Häusern), Dettenstraße (ganz rechts) sowie Hoyastraße (heller Weg waagerecht). Nach 1907. Vermutlich im Besitz von Bauer Lösing

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